Donnerstag, 10. Mai 2012

Aufstand im Terrarium


























Im Klapperfeld in Frankfurt ist die Ausstellung Ästhetik des Widerstands von Mattias Schmeier zu besichtigen. Dioramen im Maßstab 1:35. Die Besichtigung lohnt sich. Die Modellbauszene gilt bekanntlich als unpolitisch, zumindest hält sie sich dafür. Eisenbahn, Panzer, Kriegstechnik, freilich alles clean und unter Ausblendung, was ihr Einsatz anrichtet. Da dürfte Schmeier die absolute Ausnahme sein.

Wolltest du schon immer mal Bilder vom Schwarzen Block machen? Ja schon, nur dann Ärger wegen der Kamera riskieren? Was auf die Mütze bekommen? Und dann noch die Gesichter vor der Veröffentlichung schwärzen? Wenns so easy wäre.
Doch, ist es. Im Klapperfeld kann man eine Demo anlässlich des Todes von Günter Sare mit Angriff auf die Deutsche Bank stressfrei ablichten. Und falls sich einer der Beteiligten doch beschweren sollte, etwa mit Sprüchen wie mach den Film raus (zu der Zeit wurde noch analog abgelichtet) oder für wen du fotografierst, oder aktualisiert (der Spruch war seinerzeit noch nicht verbreitet) mit Kameramann Arschloch, das kannst locker wegstecken. Was wollt ihr denn, ihr Zwerge? Allein meine Kamera ist größer als ihr und den Film mach ich bestimmt nicht raus, bestenfalls die Speicherkarte. Wißt ihr überhaupt was das ist?
Das Szenario Günter Sare Demo passt perfekt ins Klapperfeld, denn genau hier landeten die vielen Verhafteten als der Kasten noch in Betrieb war.
Schon beeindruckend was man da zu sehen bekommt, im Glaskasten die Günter Sare Demo, die Einzelheiten sind echt gut ausgeführt, sogar die Werbeplakate im Schaufenster der Bank.
Weitere zwei Szenarien haben den spanischen Bürgerkrieg zum Thema und sind nach historischen Fotos ausgeführt, sogar für die Kleidung und Ausrüstung der Kämpfer entspicht historischen Fotos, ebenso das Szenarium Prager Frühling. Mit authentischen Wandgraffiti oder historischen Plakaten.
Texttafeln erläutern den historischen Hintergrund der Darstellungen. Sicher hilfreich, nicht jeder weiß noch was 82 im Libanon los war, wer sich mit wen geprügelt hat und wurum es überhaupt ging. Zugegeben, das war schon seinerzeit für viele schwer nachzuvollziehen, ebenso zum Glaskasten der das belagerte Sarajevo darstellt. Auch da hatte man echt Probleme nachzuvollziehen, um was sich Menschen prügeln, die fast die gleiche Sprache sprechen und vorher immerhin 40 Jahre friedlich zusammengelebt hatten, wenn s auch im kommunistischen Jugoslawien nicht immer lustig gewesen sein mag.
Vietnam ist ein Szenario, man will gar nicht drüber nachdenken, wieviel Arbeitsstunden da drin stecken. Und natürlich auch Recherchearbeit, das Sichten historischer Fotos um das Umfeld möglichst realisisch darzustellen. Die Szene zeigt das Flüchlingschaos in Hue zur Zeit der Tet Offensive, bzw. die Flucht der Amis aus Saigon 1975. Das muß man sich etwas genauer anschauen, man entdeckt viele Einzelheiten. Man kann von hinten in die Häuser reinblicken. Man sieht die GI Unterkünfte mit den typischen Pin Up Plakaten oder Comicplakaten mit denen die Soldiers seinerzeit ihre Unterkunft ausstatteten. Ein Soldier der gerade abgeknallt wird hat sich auf der Weste "Fuck off" gepinselt, auch dafür gibt es entsprechendes Fotomaterial.
Das palästinensiche Flüchtlingslager im Libanon von 1982 beeindruckt mit den realistischen Details des halbzerstörten Hauses sogar mit den Einschusslöchern und einen verrosteten ausgebrannten Autowrack.
Nordirland, ein weiteres Szenarium. Der Polizei und Militäreinsatz in der Falls Road. Auch hier sind historische Bilddokumente die Vorlage. Die Szene im Pub ist beeindrucken dargestellt, besonders das Plakat der IRA entspicht dem Original, ebenso die Wandmalerei oder die gepinselten IRA Parolen.
Lässt sich alles locker ablichten? Nicht ganz so locker. Fotografieren ist eine Herausforderung. Selbst mit den heutigen Kamerafunktionen. Früher hätte man eine ganze Kameraausrüstung mit mindestens drei Objektiven gebraucht. Mit etwas kreativen Einsatz lässt sich da was machen, wie anhand den Pics zu sehen. Die Pics entstanden zwar nicht gerade mit einer Proficam, doch auch mit einfacheren Gerät lässt sich was machen.
Zudem gibt es hier die ersten Stereobilder zu sehen, die sich ohne Hilfsmittel betrachten lassen. Daher nur in kleiner Bildfläche ausgeführt.
Siehe auch:
Kritische Modelle Politische Kämpfe in einer Miniaturausgabe
Ästhetik des Widerstands